Am Anfang stand ein Text.
Am Ende 37 Künstler* aller Sparten und Professionen –
- das Steampunk Musik Kollektiv mit mittelalterlichen Instrumenten und Urlauten
- die Band birdeatsbaby mit Geigen, Blech, Akkordeon
- Experimental- und Barockspezialist Lambda mit historischem Kontrabass
- der Chor Stimmgewalt in einem vollständigen Chorwerk, das sich durch den ganzen Song zieht –
…einen Song mit über 15 Minuten Länge.
Über das drohende Ende von allem kann man vieles sagen – oder gar nichts.
Klappe halten ist aber nicht so das Ding von Feline Lang, Mastermind und Opernstimme der Berliner Dark-Cabaret-Band Feline&Strange.
Also schreibt sie ein Gedicht als Abgesang auf die gesamte westliche Kunstgeschichte und Zivilisation.
Und ein Arrangement für all diese vielen Klänge und Zeitalter.
Und dreht ein herzzerreißendes Video, das in seinem epischen Ausmaß ohne die Förderung durch die Initiative Musik und Neustart Kultur vielleicht nie realisiert worden wäre.
Mehr gibt es über das Ende nicht zu sagen –
außer diesem Gedicht.
Der Grabzug – Kompletter Text
Meine Geschichten sind verhungert
Wovon solln sie sich auch ernährn
Wenn selbst das Leben innehält
Und keine Schiffe mehr verkehrn
Ich erzähle keine Märchen mehr
Denn die Geschichten sind längst alle wahr geworden
Ein scharfer Wind weht von der Seite her.
Ein schmaler Weg nur führt uns weiter, hoch gen Norden
Keine Dämonen umflattern mich mit schwarzen Flügeln
Der schwarze Vogel hockt ja immerfort auf meiner Stirn
Will ich die tausend Teufel sehen, mach ich ein neues Fenster auf
Es ist erfindungsreich genug und voll von fauligem Gewürm
Die Geschichten sind tot
Uns bleibt nur Wirklichkeit
Laßt uns sie begraben,
Es ist an der Zeit, Es ist höchste Zeit
All meine Quellen sind versiegt,
Mein Kopf ist leer genug, dass Parolen ewig widerhallen
Nichts kommt hinaus, denn nichts kommt mehr hinein.
Die Feuerwand umschließt mich ganz, entfernt von allen
Aus den Geschichten wird Geschichte.
Die Prophezeiung ist längst Wirklichkeit.
Niemand hat Kassandra hören wollen –
Doch hätte das auch mehr gebracht als eine Wunde in der Zeit?
Die Krähen zeichnen Runen in den grauen Himmel
Die niemand lesen wird, wir schauen nur herab
Ob sich die Erde auftut, um uns zu verschlingen.
Uns selbst ein Grab zu schaufeln, sind wir viel zu matt
Wir Gaukler können nur noch Echo sein
Von allem, was die Wirklichkeit längst besser kann –
Die Wirklichkeit hat viel von uns gelernt!
Laßt uns die Bälle ausgraben
Und lachen und tanzen und schrein
Und bloß nicht gestehn,
Daß wir vom Hochseil herab
schon den Abgrund vor uns allen sehn,
gar nicht weit entfernt
Zersprungen ist die Kugel,
Die flache Scherbe ist Prophet genug.
Die blinde Schlange ist dem Korb entwichen
Und ringelt sich am Kreis der Ewigkeit entlang.
Das Ende, sieh,
ist immer auch ein Anfang,
Doch nicht für uns,
sondern für das, was folgt.
Sieh auf und lies der Krähen Flug.
Die Götter haben mich verlassen.
Die Metaphern sind mir ausgegangen
Ich würde gerne irgendetwas hassen,
Doch ohne Diebe kann ich niemanden belangen
Wir sind am Ende angekommen.
Und nun? Gefällt euch, was ihr seht?
Wir haben hergestrebt und dabei ganz vergessen,
Daß vor dem Paradies ein schwerttragender Engel steht
Die Dämonen aller Zeiten wandern schweigend mit
In unserm albernen Versuch, dem Ende zu entfliehn.
Es gibt nur noch die nackte kahle Welt
Und ihre Schönheit läßt uns schaudern,
fremd sind wir und viel zu kühn
Das Meer ist jetzt schon zu weit fort
Und rückt täglich weiter weg
In Schaum aufgegangen,
der im schmutzigen Wind verweht
Und keine Schönheit mehr gebiert
Solang wir da sind
Doch die Zeit ist tot.
Die Sache hat sie gemordet
So wie die Zeit zuvor
die Liebe und die Lust
Am Leben und am Menschsein
Wann ist das passiert?
Bevor wir Menschen wurden
oder erst danach?
Meine Metaphern sind erstickt
Im zu bemühten Stapel Aktenkunst
Manch einer nennt mich nun verrückt.
Ich lächle traurig durch den blauen Dunst
Unter Papier sind wir geboren
Und in Papier sind wir verreckt
Zerschnitten von den Aktenbögen
Von tausend Ordnern plattgedrückt
Ist mein Kopf leer oder voll? Ich weiß es nicht.
Der scharfe Ton darin scheint noch nach mir zu locken
Ein Abgrund! Gib mir einen Abgrund, um zu stürzen!
Doch rings um mich ist alles flach und seit Jahrzehnten trocken
Mir sind die Träume ausgegangen
Und mein Humor ist nicht mehr scharf, wie ers einst war
Manch einer nennt das Altersweisheit
Doch dafür seh ich noch zu klar
Meine Geschichten sind erzählt.
Alles, was bleibt, ist weißes Rauschen
Ich möcht die flachgesessne Welt
Gern gegen eine andre tauschen
A song? No.
A 17 minute suite in three movements, a mourning funeral march for western civilisation and arts – and all those who cling to it, pretending everything outside of this bubble would be barbaric.
Over 20 musicians including a choir, and historical instruments. Involving The Steampunk Musik Kollektiv from Germany, Austria, and Switzerland, birdeatsbaby from UK, the Berlin based “Hard Chor” Stimmgewalt, baroque and experimental specialists Lambda and Brigitte Langnickel-Köhler.
And the poem that started this project. “My stories have starved…”
A heartbreaking video or rather, short film, involving more than 30 more artists, which will be released in November 2022, funded by Initiative Musik gGmbH/Neustart Kultur.
About the end of everything you can say a lot – or nothing at all.
The latter is not exactly the forte of Feline Lang, master mind and operatic voice of Berlin based Dark Cabaret act Feline&Strange.
Thus, she wrote a poem as an obituary for all of Western civilisation and art history.
And an arrangement for all those specific sounds and eras.
And produces a heartrending video, an epic short movie only possible by strong support from her loyal and loving fan base and a generous grant by Initiative Musik/Neustart Kultur.
There isn´t much more to say about the end – besides this poem.
The funeral – Full text
My stories have starved.
What should they live on
when life itself came to a halt
and no ships are sailing anymore?
I am telling no more fairy tales
because all the tales have become the truth.
A sharp wind is blowing from the side.
A narrow lane only is leading us on, up north.
No more demons are fluttering black wings about me,
the black bird built its nest upon my head.
If I want to see devils, I open a new window which is
all inventive and full of fouling wyrms.
All my sources have dried out.
My head is empty so paroles can echo.
Nothing gets inside, as nothing leaves,
the firewall imprisons me,
far from everything.
All the stories are now histories.
The prophecy has become reality.
No one wanted to listen to Cassandra,
but if so, would it have gained more than a wound in time?
The crows are drawing runes into the grey sky,
no one will read them, we´re only looking down
to see Earth opening to swallow us whole.
We´re much to tired to shovel our own grave.
We, the minstrels, can only be an echo
of everything reality can do better.
But reality learned a lot from us.
Let us unearth the balls
and laugh and dance and scream
and never admit
that we can see the abyss already
from our high rope –
not far away at all
The crystal ball has burst,
the flat shard is enough of a prophet.
The blind snake has fled the basket
and coils around the circle of eternity
The end, see, is always a beginning
but not for us, indeed for what comes after
Look up and read the crow´s flight
The gods have abandoned me
The metaphors have fled me
I would love to hate something,
but where there are no thieves I can´t accuse
We have reached the end. And now? Do you like what you see?
We have strived here and forgot on the way,
that a sworded angel guards the paradise.
The demons of all times are wandering silently with us
in our silly attempt to run from the end.
There is only the naked bare world left,
and it´s beauty makes us shiver,
we are foreign, and much too bold
The sea is already too far away
and moves further every day,
Dissolved in foam
Blown by the dirty wind
bearing no more beauty
while we are around
But Time is dead.
The Cause has murdered it,
as Time before killed Love and Lust
of living and being human.
When did that happen?
before we became humans
or only after that?
My metaphors have been suffocated
by a too keen stack of filing art
Some may call me crazy now
I smile sadly through the blue dusk
Is my head empty or full? I don´t know.
The sharp sound still seems to lure me.
An abyss! Give me an abyss to fall into!
But all around me is flat and dried out since decades.
I have outlived my dreams
and my humour is not edged as it used to be
Some may call this wisdom of the old,
but for that, I still can see too clearly.
We have been born under paper
and been suffocated in paper,
cut by sheets of files,
pressed flat by thousands of folders.
My stories have all been told.
All that is left now is white noise.
I would like to swap the world I sat flat
for another one
CREDITS
Musik & Regie Feline Lang
Kamera & Licht Damón Zurawski
Postproduktion Merlin J. Noack
Seherin Feline Lang
Krähe Vivien Kutzera
Musikus Christoph Klemke
Gaukler Luciano de Esbornia, Sherry Ceylan
Choristen Mitglieder von Stimmgewalt: Heike Blauert-Lühe, Matthias Busch, Ferdinand Jurczok
Trauernde Amandara, Hellaruna, Doreen Waeschke, Egon Helmut Walter Freiherr von Rudow Sachse, Enrico Möller, Mai Lê, Maria Mané, Maria Spannbauer, Mo, Patricia Koch, Philine Massaczek, Soledad, Sven Michael Klose, Traumtänzerin,
Maske Vividly Vivacious
Kostüm, Setdesign Feline Lang mit Designs von Ginger & Teal, Metamorph Quirky Couture, Eye of Awareness, CU Nature, Graskull
Produktionsassistenz Alessandra SuitKei Moroni
PR-Assistenz Rahel Thiele
Technische Assistenz Christoph Klemke
AI-Bilder Midjourney mit Feline Lang
REQUIEM – Lied von feline and strange
Musik, Arrangement, Text Feline Lang
Mix Rocco Weise
Master Martin Grünewald
Feline Lang Stimme, Klavier, Synthesizer, Geige
Christoph Klemke Cello
Rah Fookinhell Drums
Stimmgewalt – Hardchor Chor
Heike Blauert-Lühe, Matthias Busch, Ferdinand Jurczok, Jan Moritz, Jonathan Schulze, Benjamin Siedler, Tom Küttler, Andrea Heise, Stefanie Blaue, Alina Tavangari, Anne Gropler, Lidia Luciano
birdeatsbaby – Mishkin Fitzgerald Akkordeon
birdeatsbaby – Garry Mitchell Bassgitarre, Baryton
Hana Piranha Geige
Lambda – Carsten Hundt Kontrabass, Viola da Gamba
Brigitte Langnickel-Köhler Claersach, Harfe
Jessnes – Hannes McDrok Kurth Rahmentrommel, Urlaute
Cantorca – Eric Jung Drehleier, Nyckelharpa
REQUIEM erscheint 2022
auf dem Album KUNST FORDERT OPFER
Gefördert von der Initiative Musik gGmbH und Neustart Kultur
© Feline Lang 2022
© Foxy Records 2022