Der Steamball VI – so war´ s!

Schaut auch auf unseren Instagram– und Facebook– Account sowie in die neue Steamball-Gruppe auf facebook!

Bericht und Fotosammlung vom Deepground Magazine:

Bericht und Fotos: SteamBall VI (Berlin, 04. & 05.09.2021)

Wir müssen jetzt alles machen, was irgendwie geht.“

Katja Lucker beim musicboard Sommerfest

Ich weiß selbst nicht so genau, was mich bewogen hat, den Förderantrag für die 6. Ausgabe des Steamballs zu stellen, nachdem der 5. so glorreich und tragisch zum STrEAMBALL geworden war, genau zu Beginn des ersten Lockdowns. Vielleicht genau dieser Gedanke:

Die Menschen dürfen sich nicht daran gewöhnen, daß nichts live läuft. Daß man Festivals gemütlich auf dem heimischen Sofa betrachten kann, ohne einen Cent Eintritt zu zahlen und mit Getränken zu Supermarktpreisen. Daß es doch irgendwie auch ohne Blut, Schweiß und Tränen, ohne Matsch und Ohrstöpsel, ohne In-Die-Arme-Fallen und Dixieklos geht. Man überlebt, auch ohne Live-Musik.

Aber was für ein LEBEN ist das?

Vielleicht war es auch eine gehörige Portion Wut, zu sehen, wie die mühsam erkämpfte Repräsentation weiblicher und genderfluider Acts einfach so auf die 1960er zurückgesetzt wurde. Das, was stattfand, war 100% männlich, cis, white besetzt. Und meist mit etablierten Acts, die auch von ihren Streamingzahlen zumindest eben das konnten: überleben.

Von einer alternativen Szene, von Inspiration, und von großmäuligen Frauen war wenig zu sehen, und wenn, dann in vom musicboard geförderten Veranstaltungen…!

Also Antrag geschrieben, im Oktober, als wir irgendwie noch daran glauben konnten, daß das Ganze im Frühjahr vorbei sei, denn der erste Impfstoff war schon in der Zulassung, und hey, Logistik, das können wir doch in Deutschland.

Und hurra, es hat geklappt!

Im Dezember sah es auch noch recht hoffnungsvoll aus mit der Planung der Impfkampagne, wenn auch schon klar war, daß es länger dauern würde. Aber April, das traditionelle Steamball-Datum, sah gut aus. Also Durchführung zugesagt, und hopp, an die Arbeit.

Die Acts haben sich Löcher in den Bauch gefreut und tatsächlich seit Januar an ihren Sets für den Steamball gearbeitet. Für die meisten war es der erste zugesagte Auftritt seit März 2020.

Dann versuchten wir alle, geimpft zu werden, und ich verschob den Steamball in den September. Denn so wie im letzten Jahr, so würde es ja schlimmstenfalls wieder laufen, und bis dahin sollten doch alle geimpft sein, oder?

Tatsächlich aber brach im Sommer so unsagbar viel an Strukturen in der Veranstaltungsbranche zusammen, daß es selbst ein kleines Selfmadefestival wie uns traf.

Reserven und Altersrücklagen aufgebraucht, hatten sich viele Techniker:innen und Veranstaltende inzwischen nach anderen Jobs umgesehen. Spätestens als die Schließung der Impfzentren beschlossen wurde, die vielen einen Übergangsjob geboten hatten, und gleichzeitig klar wurde, daß wir auf eine vierte Herbstwelle zusteuerten, gaben auch die Hartgesottensten auf und bemühten sich um Umschulung oder Festanstellung in anderen Gewerken.

Das führte dazu, daß unser ohnehin schon winziges Steamball-Backstage-Team nochmals um die Hälfte dezimiert wurde und es so gut wie unmöglich schien, Ersatz zu finden.

Am härtesten traf mich das Abspringen meiner Eventmanagerin und Promoterin, die unter anderem auch belarussische Bands betreut und sich seit der Machtübernahme Lukaschenkos ausschließlich um deren Freilassung aus politischer Haft bemüht, für den Steamball blieb da keine Zeit.

Fast hätte ich an dieser Stelle aufgegeben.

Tatsächlich war es das Sommerfest des musicboards, das mich zu dem endgültigen Entschluß brachte, das jetzt durchzuziehen. Nicht nur die oben zitierte Rede von Katja Lucker, sondern auch das rege Interesse an meiner Veranstaltung, das Flyer-aus-der-Hand-reißen, das Nachfragen.

Irgendwie schien sie ja doch notwendig, so eine Veranstaltung.

Also – Augen auf und durch.

Wir hatten bisher damit gerechnet, von dem ursprünglichen Plan, das Festival indoors durchzuführen, aufgrund der ungleich höheren Kosten und Risiken nur dann abzuweichen, wenn es gesetzliche Auflagen dazu geben würde. Und wir hatten eigentlich fest mit solchen gerechnet, bei der letzten MPK, angesichts der Deltawelle und der vielen Impfverweigerer.

Kam aber nix.

Wir haben trotzdem beschlossen, draußen zu spielen. Weil wir es konnten. Weil uns das Lichtenberger Umweltamt mit aller Kraft bei diesem Vorhaben unterstützte. Und weil wir unsere eigene Gesundheit, vor allem aber die unserer Gäste, höher schätzen als das Geld, das wir bei Auflagen eventuell noch aus einem Bundesfonds erhalten hätten.

Also draußen. Die Zusatzkosten hierfür betragen etwa 3500 Euro, Bühne, Licht und Tontechnik müssen herangeschafft werden sowie die Gastronomie selbst organisiert werden, da auch die Baustelle für unser eigenes Café “Pilgrim” sich aus Personal- und Materialmangel um mehr als ein halbes Jahr verzögert hatte. Aber: Nichts und niemand war verfügbar. Selbst unsere Drummerin und Managerin Rah befand sich schon mit einem Bein in der Schweiz, um direkt nach dem Steamball dort ihr neues (musikfernes) Studium aufzunehmen.

Über Aktivieren unseres gesamten Netzwerks aus 6 Jahren und 6 Steambällen haben wir es buchstäblich in der letzten Woche vor dem Event geschafft, ein Technikteam zusammenzustellen und die benötigten Materialien zu mieten.

Auch eine neue Eventmanagerin war inzwischen gefunden, die in den letzten zwei Wochen noch ein neues Social-Media-Konzept entwickelte und umsetzte.

Fast hätte tatsächlich noch alles geklappt –

dann streikt die Bahn.

Mit allem hatten wir gerechnet – neuer Lockdown, Meteoritenschauer, Sturmwarnung…

aber nicht damit.

Mehrere unser Performer konnten nicht anreisen, wodurch 2 Shows wegfielen und mehrere Bands ihre Besetzung ändern mußten.

Fast 60 Zuschauer konnten nicht anreisen und cancelten ihre reservierten Tickets.

Aber trotzdem. Wir haben´s gemacht.

Das Ergebnis:

Ein Wochenende voller Musik.

Ein Wochenende voller glücklicher, strahlender Gesichter.

Eine Mailbox voller Dankesbriefe.

Eine Kiste voller Geschenke aus dem Publikum, teilweise selbstgebastelt.

150 Gäste vor Ort (erlaubt waren, bei 70 Mitwirkenden, 180), 540 auf Twitch.

Social Media-Profile, die noch fast sechs Wochen nach dem Event, ständig neue Besucher-Posts über den Steamball und neue Aufrufe haben.

Weniger Presseresonanz als gedacht bis hin zu komplettem Ignorieren selbst bisheriger Stamm-Berichterstatter, die vorhandene dafür enthusiastisch.

Ein Team, das nach all der Zeit und all den plötzlichen Veränderungen nun genau das ist: ein Team.

Ein Festival, das genau das verkörpert hat, was ich damit immer erreichen wollte:

einen Ort in Zeit und Raum, wo sich jede:r:s willkommen und respektiert fühlt, alles sein und darstellen kann, wo es außer gegenseitigem Respekt keine Regeln gibt dafür, wie Kunst und Kreativität zu sein hat, und wo genau deshalb eine Atmosphäre von gemeinsam mit Akteuren und Publikum entstehender und erlebter Kunst herrscht, die es eben nur so geben kann:

Live.

Wir sind sehr glücklich. Sehr, sehr dankbar. Sehr motiviert, weiterzumachen, am Festival wie auch an unser aller künstlerischem Output. Wir wollen einen Steamball 7.

Statistisches:

67 Mitwirkende, davon 42 nicht cis-male.

Solisten/Bandleader/Workshopleitende: 16, davon 15 nicht cis-male.

Nicht straighte Menschen: mindestens 6, ich hab aber nicht gefragt.

Nicht cis Menschen: 4, darunter 2 Solistinnen.

Nicht weisse Menschen nach US-Standards: 5, darunter 2 Solistinnen (inklusive Moderatorin)

Menschen mit Migrationshintergrund: mindestens 16, ich hab auch hier nicht gefragt

7 der Solistinnen sind über 45 Jahre alt, 4 sogar über 50.

3 haben einen BMI von über 25.

6 leiden unter diagnostizierten psychischen Störungen oder körperlichen Einschränkungen.

Unter unseren Besuchern waren 4 Rollstuhlfahrende, darunter 2 Schwerstbehinderte, ohne Bahnstreik wären es 5 bzw. 3 gewesen sowie eine Ausstellerin, und mehrere Spektrumszugehörige. Alle waren von Anfang bis Ende da und fühlten sich wohl, inklusive Teilnahme am Tanzworkshop.

Jup. Das macht mich sehr stolz.

Pressebericht des „deepground magazin“ (Auszug):

„Was 2015 einst als Ball begann, ist mittlerweile zu einem einmaligen Steampunk-Fest, das seinesgleichen sucht, herangewachsen…: Ein kleines, aber sehr feines Open Air mit Musik, Workshops, Dance und Burlesque – so facettenreich wie die Berliner Gastgeber und auch die Gäste selbst. Was dieses „Festival“ so besonders machte: Es war rein „female fronted“ und die Frauenpower zeigte in all ihren Facetten, Reizen und Rundungen, was sie kann. Die Stimmung war, wie ich es nun schon mehrmals erfahren durfte, mehr als gelöst, die Leute über alle Maßen freundlich und einfach nur glücklich und zufrieden. …Man hatte das Gefühl, in eine Familie hineinzuwachsen… Viel Witz und Charme war insgesamt der „rote Faden“ – …Stil und Kunst… ließ den Besucher:innen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und mit einem guten Gefühl und Freude gehen. So wurde der SteamBall auch dem Thema „Nachhaltigkeit“ gerecht, was ein wesentlicher Bestandteil des Steampunk ist… Man lernte viel über die Geschichte und die Grundlagen als solches und auf welche Aspekte diese Strömung fußt. Danke Feline & Strange. Auf ein baldiges Wiedersehen!“

Liked it? Want more? Take a second to support us on Patreon!
Become a patron at Patreon!